Nebel, Sonne, Regenbogen
Der Herbst klopft mittlerweile sehr gut hörbar an Südschwedens Tür. Sobald die Sonne unter gegangen ist, schleicht Nebel aus Wäldern, Senken und Gewässern. Die ganze Nacht über verweilt er im fahlen Licht von Mond und Sternen auf Wiesen, Wegen und Plätzen. Erst wenn der Tag sich mit grauem Licht oder roter Sonne ankündigt, zieht er sich zögerlich zurück.
Die Nächte sind kühl, aber nicht kalt und dennoch oft sternenklar. Es ist ziemlich verrückt, wenn man im Dunkeln auf dem Balkon steht, sieht wie sich das Licht der Straßenlaternen durch den Nebelschleier kämpft und doch wenn man den Kopf hebt das kühle, klare Leuchten der Sterne und des Mondes sieht.



Die Äpfel fallen reif von den Bäumen. Das mancherorts bereits fallende Laub, hat die gleiche Farbe wie die reifen Früchte. Die Luft ist kühl, feucht und klar. Die Pferde auf der Weide haben Decken auf ihrem Rücken und schauen mich neugierig an, wenn ich mit dem Fahrrad an ihnen vorbei fahre.

Der Sonntag ist ein warmer Abschiedsgruß des Spätsommers. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm und der Himmel hat sich mit kleinen Wölkchen geschmückt.
Ich bin heut zum Mittagessen und zu einer Motorrad-Tour eingeladen. Mittag holt mich Hasse ab.
Bei ihm zu Hause treffe ich auf seine Eltern. Zwei vom Alter gebeugte, freundliche Personen. Obgleich es ihr offensichtlich schwer fällt, hilft Hasses Mutter ihrem Sohn beim zubereiten des Mittagessens, sie kann einfach nicht still sitzen. Es gibt raggmunk (Kartoffelpuffer) allerdings in einer herbstlichen Variation. Es landet nur genau eine kleine Kartoffel im Teig. Statt dessen werden Pilze durch den Fleischwolf gedreht und bilden den Hauptbestandteil der Masse. Außerdem landen Ei, Semmelmehl, etwas Sahne, Salz und Pfeffer im Teig. Es gibt zwei verschiedene Sorten. Die eine ist eine Mischung Röhrlinge, also Maronen, Butterpilze und verschiedene Birkenpilze. Die Andere besteht ausschließlich aus Schafspilzen. Konsistenz- und geschmackstechnisch sind beide Sorten ganz verschieden, was mich ehrlich gesagt etwas erstaunt. Das Rezept stamme noch von der Großmutter erzählt man mir.

Nach dem Mittagessen ziehen wir uns warme Kleidung über. Ich bekomme eine viel zu große textile Motorradhose und -Jacke geliehen. Der Helm ist glücklicherweise nur ein Wenig zu groß. Ich setze meine Mütze auf und ziehe die Kapuze meines Pullis drüber und schon passt er ausreichend.
In Schweden grüßen sich Motorradfahrer üblicherweise auch untereinander. Hasses Motorrad sieht jedoch wie ein zu groß geratener Motorroller aus. Er hat eine 650ger Suzuki Burgman. Die ist sehr bequem – als Sozi sitzt man wie in einem Sessel, man hat sogar eine Lehne. "Seit ich die fahre, grüßt mich keiner mehr." Aber in seinem Alter, meint er, sei ein wenig Komfort beim Motorradfahren unverzichtbar. Er hatte vorher eine BMW-Tourer. Mit der kann er aber keine weiten Strecken mehr fahren, weil ihm sonst alles weh tut, erzählt er weiter. "Nein, das ist Nichts mehr, dann werde er lieber für einen Rollerfahrer gehalten."
Wir fahren eine weite Runde um bzw. über den See Åsnen. Unterwegs halten wir hier und da um Fotos zu machen.



Die Fahrt geht über Straßen im Wald und Wege, die eigentlich nur für Fahrräder und Wanderer gedacht sind. Im Sommer, wenn viele Leute dort unterwegs sind, sollte man da nicht lang fahren, um die erholsame Ruhe, die die Wanderer suchen nicht zu stören. Jetzt im Herbst ist jedoch keiner auf diesen Wegen unterwegs und man kann sie benutzen. An manchen Stellen sind die Wege schlammig vom Vortagesregen.
Bei einem kurzen Halt an einem Rastplatz am Wasser, finden wir zufällig eine Krause Glucke. Ich hab so was noch nie gesehen, aber jetzt weis ich warum man hier Blumenkohlpilz dazu sagt. Größe, Form, Farbe und wie wir später feststellen auch Gewicht (750g) entsprechen einem Blumenkohl.



Eine kleine Regenwolke erwischt uns dann doch. Aber die Verkleidung der Maschine und die textilen Motorradklamotten schützen sicher vor der Nässe. Und Regen hat ja auch seine schönen Seiten. Regenbögen zum Beispiel...



Nach der Ausfahrt wird noch mit Gewürzen an den Pilzpuffern experimentiert. Die Abendpflege kommt und verabreicht Hasses Eltern ihre Tabletten. Sie nimmt sich auch etwas Zeit für eine Unterhaltung.
Drei Mal täglich kommt eine komunale Pflegekraft, verabreicht den alten Leutchen Medikamente und sorgt mit einer Unterhaltung für etwas Abwechslung. Das alte Paar sind leider dement. Ihr Sohn hilft ihnen im Alltag, was nicht immer einfach ist. Längere Reisen, zum Beispiel kann er nicht mehr unternehmen. Es ist jedoch merkbar, dass es den alten Leuten hilft, dass sie in ihrer gewohnten Umgebung sind. Sie finden zwar nicht alles auf Anhieb, aber wenn es darum geht etwas Gemüse aus dem Garten zu holen vergehen keine zehn Minuten und eine kleine Schüssel mit Möhren, Salat und Tomaten steht auf dem Tisch.

Abends bin ich sehr müde und auch etwas aufgeregt. Denn Morgen ist mein erster Arbeitstag. Aber das, ist eine andere Geschichte...

... link (0 Kommentare)   ... comment


Die erste Woche
Es ist etwas kühl hier. Ich befinde mich, wie in den letzten Tage oft, in der Stadtbibliothek. Hier gibt es Bücher, Tische, Strom und vor allem freies WiFi. Ja internet-technisch bin ich gerade etwas unflexibel. Ich muss mir meinen Auslands-Gigabyte ein wenig aufsparen. Kartendienste, Sprachprogramme und all die Kleinigkeiten die man so nutzt, fressen doch ganz schön Daten – wenn man kein W-Lan hat.
Aber ich bin schon dabei Abhilfe zu schaffen. So ein Internet-Stick mit 20 oder mehr GB ist gar nicht so teuer. Ich brauch nur vorher eine Personnummer und ein schwedisches Bankkonto. Da sind die wieder meine zwei Probleme. Aber ich will nichts vorweg nehmen.

In meinen letzten Schilderungen habe ich, glaube ich, mindestens 50 Kommas vergessen. Bevor ich also weiter erzähle: Hier noch ein paar Kommas zur Kompensation: ,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.


Vergangenen Samstag...
schlafe ich aus und bin dennoch etwas fertig. Das Wetter ist mäßig. Den Vormittag über schreibe ich am Blog. Gegen 14 treffe ich mich mit Hasse. Er zeigt mir die Stadt und vor allem die zukünftige Stadt.
Also wenn wir in Deutschland manchmal das Gefühl haben, es werde überall gebaut, ist das nichts im Vergleich zu hier. Es werden ganze Stadtteile aus dem Boden gestampft und das überall, da wo die Stadt nicht von anderen Orten oder vom Helgasjön eingefasst werden. Es ist irre! Es wird viel in Holz gebaut – auch große Bauten. Und es werden auch Dinge gebaut, die in Dresden eher stiefmütterlich behandelt werden: Radwege!
Ich wohne aktuell ja in Skir – genauer Skirsnäs. Einem Dorf hätt' ich jetzt beinahe geschrieben. Zutreffender wäre aber eine lose, weit verstreute Ansammlung von Höfen. Jedenfalls liegt das ca. 6,5km vom Stadtzentrum von Växjö entfernt. Davon muss ich gerade mal 1,5km an der Straße fahren und wenn mal ein Auto kommt überholt es mich mit großzügigem Abstand (1,5m!). Sehr angenehm also. Mit meinem Klapperfahrrad, das zu meiner Unterkunft gehört bin ich gerade mal 30min unterwegs.

Aber zurück zu unserer Stadtrundfahrt: Es beginnt zu nieseln und schließlich zu regnen. Im Norden, direkt am See wohnt, wer es sich leisten kann. Sehr viele richtig alte Stadtteile gibt es nicht, da sie mehrfach abgebrannt ist. Aber dafür gibt es außer dem Schloss am Helgasjön, dass Andre und ich letztes Jahr bereits besuchten noch ein Weiteres im Süden. Überall wo Nichts gebaut worden ist, kein Akerbau statt findet/fand oder Gewässer das Baumwachstum beeinträchtigen ist Wald. Tja und wo Wald ist, da sind auch Pilze.
Ich will ja nicht angeben, aber es reichen einige kurze Stops während unserer Stadtrundfahrt und ein 10 minütiger Ausflug in den Wald südlich der Stadt und wir finden: Eine Krause Glucke, etliche wundervolle Steinpilze, eine Hand voll gelbe Pfifferlinge sowie eine Unmenge Maronen, Butterpilzen, Sandpilze und rotkappige Birkenpilze.
Nun hält sich ja mancherorts hartnäckig das Gerücht: Die Schweden äßen keine Pilze. Das ist natürlich Quatsch! Aber ich kann mir jetzt vorstellen, warum sich dieses Gerücht hält. Anfänglich versuchte ich nach deutschen Maßstäben zu sammeln: Da sind drei große Pilze – keine Maden – Abendbrot fertig. Äh nein! Wann immer ich einen der größeren Pilze ins Auge fasste, sagte mein Reiseführer: "För gammal" – "Zu alt". Man sammelt hier offensichtlich nicht die grßen, sondern nur die kleineren und mittleren Pilze, wenn sie fest sind. Die Großen bleiben stehen. Warum? Weil man die Auswahl hat und die Kleineren einfach besser schmecken. Also für den nächsten Schwedenurlaub: Wer nur die großen Pilze sammelt outet sich als Touri! 😉



Da es in Schweden von bestimmten Pilzarten viel mehr Unterarten oder Variationen gibt, empfehle ich außerdem sich beim Pilze suchen in Schweden nicht nur auf ein deutsches Pilzbuch zu verlassen. Die Internetseite svampguiden.com ist zwar auf schwedisch, aber die wichtigsten Informtionen: Aussehen und essbar oder giftig sind mit Fotos und Piktogrammen dargestellt. Svamp sind Pilze, Sopp sind Röhrlinge und Skivling sind Lamellenpilze. Ach und alles was "... Kantarell" heißt, ist ein Pfifferling und davon gibt es hier etliche Arten.

Als ich nach circa 3 Stunden Stadtrundreise wieder nach Hause komme, habe ich genug Pilze für zwei Tage. Den Rest nimmt Hasse für sich und seine Eltern mit, ...und die Tiefkühltruhe oder Einmachgläser.
Zum Abendbrot gibt es bei mir Butterschnitte, in Butter gebratene Krause Glucke und gebratene Steinpilze – jeweils in einer eigenen Pfanne zubereitet! Die Krause Glucke schmeckt gar nicht wie ein Pilz. Der Geschmack ist süßlich, würzig etwas Anis oder Vanille-artig, hm... oder wie Topinambur.




Der Sonntag...
macht seinem Namen alle Ehre. Die Sonne scheint und ein paar Wolken stehen dekorativ am Himmel. Ich lebe mich ein, schreibe am Blog und schaue Nachrichten auf schwedisch – bloß gut, dass es kein deutsches Fernsehen gibt, da wird man nur faul.



Um 17 Uhr treffe ich mich mit dem Vermieter meiner Langzeitunterkunft, die ich ab Mitte Oktober beziehen kann. Naja genauer gesagt, ich treffe mich erst 17:15 mit ihm weil ich mich etwas verfranse. Also genau genommen verfahre ich mich nicht. Die Karte ist nur etwas... jedenfalls haben sie eine Fällungsschneise als Radweg eingetragen. Ich glaub die sollten ihren Zeichenschlüssel mal überdenken, die Kollegen vom Landmätteriet... hihi zum Glück bin ich dann nicht dafür zuständig – hoffe ich.
Jedenfalls arbeite ich mich aufgrund von Zeitmangel mit meinem Fahrrad durch's Unterholz. Es sollen sich auf die Weise ja auch schon Leute verlaufen haben, aber glücklicherweise hab ich ja einen Kompass verschluckt. Ich so erreiche ich, ein wenig außer Atem und circa 15 zu spät, mein Ziel: Ein schnuckeliges Haus am See. Jättesnygg! (sehr hübsch)

Es ist nicht zu klein und nicht zu groß. Hat einen Garten, einen Carport mit Trabbi, ein extra Häuschen für Gäste und Wiese drumherum und dazwischen. Mein Vermieter, ein Deutscher aus NOL, hat selbst die ersten Jahre in dem Häuschen gewohnt. Als sich dann der erste Nachwuchs einstellte, sind sie ein paar hundert Meter weiter in ein größeres Haus gezogen. Seit dem vermieten sie das Kleinere – vorwiegend an Deutsche Urlauber.
Spannend dürfte jedoch werden, wie ich mich im Winter beim Heizen schlagen werde... Das Gebäude besitzt eine Wärmepumpe, die zumindest eine gewisse Grundtemperatur im Haus herstellt. Wie viel genau weis ich gerade nicht mehr, aber ich glaub im Bereich von 5 bis 10 Grad. Außerdem gibt es eine Heizung für die Zu- und Abwasseranschlüsse. Diese Zwei müssen spätestens ab Null Grad immer an sein. Das kleine Bad lässt sich mit einem Heizstrahler und das Wasser mit einem Elektroboiler erhitzen. Außerdem gibt es im Haus noch einen Ofen. Durch clevere Führung des Ofenrohrs, durch Erd- und Obergeschoss, kann man das gesamte Haus mit ihm beheizen. Man braucht nur etwas Übung was die richtige Holzmenge für die Nachtruhe betrifft. Wenn man das gut raus hat, hat man am Morgen noch etwas Restwärme und braucht nach dem Aufstehen weder frieren noch heizen. Ich werd mir das mit dem Anfeuern und den Nachtmengen nochmal zeigen lassen wenn ich einziehe. Ich werde es mir wohl auch aufschreiben.

Bevor ich zurück radle quatschen wir noch eine Weile. Wir kommen auch auf meine Simme zu sprechen. "Das ist das beste Fahrzeug für hier. Schraub' die Räder ab und rein damit in Vatis Kombi. Im Winter haust du Spikereifen drauf, dass fährt sich dann zwar wie auf Schienen, aber funktioniert wunderbar."

Auf dem Rückweg lege ich noch einen kurzen Fotostop am Rinkabysjö ein – der See an dem auch mein Häuschen liegt. Ach doch hier kann man bleiben. Das mit dem Feuern krieg ich schon hin...




Montag
Das Wochenende ist vorbei. Ich stehe um 8 auf, koche mir Kaffee und bereite mich auf meine erste Fahrt mit dem Fahrrad in die Stadt vor. Ich brauche eine dreiviertel Stunde, da ich ab und an anhalten muss um zu schauen, wo ich als Nächstes lang muss.

Das Skatteverket, so etwas wie unser Einwohnermeldeamt, öffnet um 10. Bereits zehn Minuten vorher bildet sich vor der Tür ist eine Schlange. Ich stelle mich an. Pünktlich öffnen sich die Türen und die Schlange schiebt sich ins Gebäude. Drinnen trägt man sein Anliegen – möglichst auf Schwedisch – am Empfang vor. Der gibt einem ein Formular oder eine Wartenummer. Ich bekomme ein Formular.
Nachdem ich die zwei Seiten ausgefüllt habe, muss ich mich erneut anstellen. Ich werde an einen Schalter geschickt. Ein jung aussehender Mitarbeiter füttert einen Computer mit meinen Daten. Dann kopiert sich meinen Ausweis und Arbeitsvertrag. Das war's, sagt er. Nun müsse ich auf Post vom Skatteverket warten. Da sei dann meine Personnummer und die Meldebestätigung drin. Mit der Nummer kann ich dann wieder her kommen und meine ID-Karte beantragen und mich an die staatliche Krankenversicherung wenden um einen Versicherungsnachweis zu bekommen. So weit, so einfach. Das einzig Doofe ist nur, dass das bis zu acht Wochen dauern kann. Naja abwarten...

Ich sehe mich in der Stadt ein wenig um. Schließlich gehe ich zur Stadtbibliothek. Fast schon befürchte ich, dass ich ohne Personnummer keine Möglichkeit habe eine Leihkarte zu bekommen. Dem ist aber glücklicherweise nicht so. Die Bibliothek ist kostenlos und für alle zugänglich. Das Personal ist freundlich und hilfsbereit.

Zurück in meiner Bleibe treffe ich auf meine Vermieter. Sie sind wieder da und laden mich auf einen Kaffee ein. Sie besitzen einen Pferdestall wo man Boxen mieten kann. Aktuell haben sie 18 Pferde zu versorgen. Eines, es ist 31(!) gehört der Besitzerin selbst. Außer meinen Vermietern ist auch eine der Pferdebesitzerinnen da. Sie sei so etwas wie ihre Ersatztochter erzählen sie lachend. Ihre eigene Tochter – sie ist 30 – wohnt ja aktuell noch in Stockholm. Soll aber bald zurück kommen und dann in der Wohnung leben, in der ich gerade bin. Sie hat einen kleinen Sohn und der soll nicht in der Stadt aufwachsen müssen.
Wir sitzen eine ganze Weile beisammen und reden. Es ist ein sehr freundliches Gespräch. Wir lachen viel und ich lerne auch die Katze und das alte Hündchen der Familie kennen.
Dann hilft mir der Herr des Hauses beim Austauschen des Fahrradsattels. Ich hatte den Tag zuvor einen nassen Hintern bekommen, da der Bezug beschädigt und das Schaumgummi darunter durchweicht war. Diesen Fauxpas wollte ich in Zukunft unbedingt vermeiden und so habe ich kurzerhand einen neuen Sattel in der Stadt gekauft. Daran meinen kleinen Nusskasten aus Deutschland mitzubringen, habe ich jedoch nicht gedacht. Naja, kein Problem es gibt ja hilfsbereite Menschen hier...


Am Dienstag...
schaue ich mich Vormittags genauer in der Bibliothek um. Ich finde einige ansprechende Bücher, alle samt Jugendbücher, die ich mir auf Schwedisch ausleihe. Das kostenfreie Wlan ist ein Segen. Ich schreibe E-Mails, lade Fotos für den Blog hoch, lade mir die Karte von Växjö und Umgebung auf mein Telefon herunter, aktualisiere das Betriebssystem meines Laptops und mache meine Schwedisch Lektionen. Für wie viele Dinge man das Internet verwendet merkt man erst, wenn man sparsam damit umgehen muss.
Mittags fahre ich zurück zu meiner Bleibe stärke mich etwas und beginne das erste Buch.

14 Uhr holt mich Hasse ab zum Pfifferlinge sammeln. Nicht die Gelben, sondern Trompetenpfifferlinge. Er kennt drei kleinere und eine große Stelle wo man diese finden kann.
Im Unterschied zu den gelben Pfifferlingen, die oft in kleinen Gruppen wachsen, wachsen Trompetenpfifferlinge in großen Kolonien und nur in der Nähe von ganz bestimmten Bäumen. Werden diese Bäume gefällt und die Wurzeln entfernt, verschwinden auch die Pilze.
Wir unterhalten uns wie immer auf schwedisch und Hasse versucht mir einige Feinheiten der Sprach zu verdeutlichen. Denn ähnlich wie bei uns, nehmen es auch hier viele Leute nicht mehr allzu genau mit ihrer Muttersprache.
Ein Beispiel gefällig? Das Wort var heißt wo und das Wort vart heißt wohin. Das "t" bei wohin, wird wohl gern großzügig weggelassen. Man sagt quasi "Wo gehst du?" statt "Wohin gehst du?".

Um zu den Pfifferlingplätzen zu gelangen müssen wir heute sogar etwas weiter in den Wald laufen. Die Bäume stehen in weiten Abständen und bilden ein löchriges Dach, sodass die Sonne den Waldboden erreichen kann. Der steinige Boden ist größtenteils von Moosen und Flechten überzogen. Farne gibt es kaum, dafür Blaubeer- und Preiselbeersträucher. Mit vereinzelten Beeren dran.
Die von uns gesuchten Pilze werden oft auch die unsichtbaren Pilze genannt. Wenn man nicht weis dass sie da sind, kann es passieren, dass man direkt durch eine Kolonie hindurch läuft oder sogar einzelne Pilze zertritt, weil man sie nicht wahr nimmt. Gut verborgen wachsen sie zwischen bemoosten Steinen, Beerensträuchern und umher liegenden Ästen.



Trattkantarell heißen die braunen Pfifferlinge auf dem Foto. Beim ernten der Pfifferlinge gibt es nur eine Sache, die man beachten sollte. Manchmal wachsen sie zusammen mit einer braunen Schwindlingart. Pfifferlinge, die unter Schwindlingen stehen soll man nicht nehmen. Sie können durch die Sporen des Giftpilzes selbst giftig werden. Und selbstverständlich soll man die Schwindlinge selbst auch nicht mitnehmen. 😉 Die lassen sich aber aufgrund ihrer Kopfform sehr gut erkennen.

Hasse zeigt mir noch einige andere gute Pilze: Den Schafspilz etwa. Ganz weiß, weder Lamellen noch Schwamm, ganz fest, etwas ungleichmäßig geformter Kopf und riecht stark nach Pilz. Der den wir finden ist jedoch leider sehr madig.
Dann der Kammpilz, verwandt mit dem Fliegenpilz. Wird hier oft gegessen. Wie ich später nachlese, wird er als unter Umständen schwach giftig eingestuft.
Täublinge gibt es hier auch. Kremmla heißen sie in der Landessprache. Die gelben Täuling, die wir finden sind jedoch alle samt scharf – also nicht essbar.

Als ich nach einer Weile zurück zu meiner Unterkunft komme, steigt mein Vermieter gerade aus dem Auto. Er beglückwünscht uns zu unserer reichen Ernte. "Am Besten schmecken die Pfifferlinge angebraten und mit Butterbrot." sagt er. Ich gebe gern einige der Pilze ab. Für mich allein sind es ohnehin zu viele.



Es ist erstaunlich, eigentlich mag ich es nicht, wenn man mehr nimmt als man unmittelbar braucht. Aber es ist ein Bisschen wie das erste Mal im Supermarkt: Es gibt so viel. Die letzten Male, die ich in der alten Heimat Pilze suchen war, war ich froh wenn es für ein Essen für Zwei gereicht hat. Aber vielleicht waren die Jahre auch einfach schlechte Pilzjahre...
Selbst nachdem sich meine Gastgeber ihre Abendportion Pfifferlinge abgeholt haben, sind es noch immer zu viele. Im Kühlschrank halten sich Pilze schließlich nicht sehr lange. Pfifferlinge werden hier gern getrocknet um damit Wintersuppen zu verfeinern hatte Hasse mir noch gesagt. Dazu brauch man einen warmen, trocknen Raum, Zeit und jede Menge Zeitungspapier. Ich recherchiere. Man kann Pilze auch im Backofen trocknen. Man darf nur nicht zu viel Hitze verwenden, unter 50 Grad. Ich probiere es aus. Und was soll ich sagen, es funktioniert, leider sind die trocknen Pilze aber schwarz.


Die nächsten Tage...
verbringe ich viel Zeit in der Bibliothek und sehe mich auch in der Stadt weiter um. Meine tägliche Fahrradstrecke in die Stadt und bis zur Bibliothek, die nur etwa 100m von meinem zukünftigen Arbeitsplatz entfernt liegt, dauert gerade mal 30 Minuten und besteht fast vollständig aus schön geführten und gut ausgebauten Radwegen. Aber ich kann ja viel erzählen. Darum die folgende Karte. Alle blauen Wege – einen Teil habe ich mit meiner Route überdeckt – sind Radwege. Und da wo in der Stadt keine Radwege sind, sind breite Gehsteige oder Einbahnstraßen oder Fußgängerzonen, in denen man auch Radfahren darf.
Aber es gibt auch Fußwegen, auf denen das Rad- und Mopedfahren ausdrücklich verboten ist. Ach so Stichwort Moped fahren: Wenn nichts anderes dran steht darf man in Schweden mit dem Moped auf dem Radweg fahren.



Ich recherchiere wichtige und zähe Themen wie schwedische Banken. Denn wenn ich dann meine Personnummer habe, muss ich mich für eine entscheiden und in Växjö sind fünf Banken ansässig, die für mich in Frage kommen.
Ich studiere Publikationen zu Kundenzufriedenheit der letzten fünf Jahre und vergleiche Preislisten. So was wie Kontoführungsgebühr suche ich vergebens. Auch die Inanspruchnahme von Onlinebanking scheint keine zusätzlichen Grundkosten zu erzeugen. Man bezahlt eine Jahresabgabe, die sich nach der gewünschten Kartenart richtet und je nach Bank, evtl. Gebühren für Zahlungen und Auszahlungen im Ausland.
Auf gut Glück, manchmal klappt es ja, frage ich bei meiner favorisierten Bank nach, ob es vielleicht möglich wäre ein Bankkonto ohne Personnummer zu eröffnen. Die Dame am Schalter antwortet freundliche aber bestimmt, dass das leider nicht möglich sei. Ich benötige meine Personnummer und meine ID-Kort. Dann könne ich gern wieder her kommen und einen Termin machen, damit ich meine Zeit nicht mit Warten verschwenden muss.

Nachdem ich zwei Abende ab der Gürtellinie nass und kalt nach Hause gekommen bin, fasse ich einen Entschluss: Eine Regenhose muss her. Im örtlichen Outdoorladen werde ich fündig und bin etwas erstaunt über den, für eine Haglöf-Hose aus GoreTex, sehr günstigen Preis. Ich frage an der Kasse nach.
Oje, die ist falsch ausgepreist, sagt der nette Herr am Tresen. Der eigentliche Preis ist doppelt so hoch. Da der falsche Preis jedoch nicht mein Fehler ist, bekomme ich einen großzügigen Rabatt von circa 25%. Ich habe eine hochwertige Regenhose für einen anständigen Preis und bin sehr zufrieden.

Das Wetter am Freitag ist super! Endlich kann ich euch ein angemessen schönes Foto von einem Teil meiner Fahrradstrecke zeigen. Ein Foto von dem Schloss, an dem ich immer vorbei fahre. In der Fahrradkarte oben, hab ich es auch eingetragen.



So gehen die Tage dahin. Eine Woche ist so verdammt schnell rum, besonders dann, wenn man an einem neuen Ort ist. Heut ist Samstag und ich habe nicht viel zu tun. Morgen schaue ich mit Hasse nochmal nach Pilzen und am Montag geht dann schon meine neue Arbeit los. Ich bin gespannt und etwas aufgeregt. Aber wie heißt es hier noch so schön: Det ordnar sig!

... link (0 Kommentare)   ... comment