Angelglück, Mitternachtssonne, Fjorde und Neuschnee
Da ich heute gleich von vier ereignisreichen Tagen zu berichten habe, ist das ein sehr langer Eintrag geworden. Aber seht selbst:

Der 24. Tag unserer Reise beginnt wie die Tage zuvor: Super Wetter 27°C und Warten. Schließlich packen wir Badezeug und Frisbees ein und gehen in den Park. Wir haben gerade auf der ersten Disk-Golf-Bahn den zweiten Wurf gemacht da klingelt mein Telefon: Das Auto ist fertig! Soweit die gute Nachricht. Die weniger Gute ist, dass die Injektoren auch getauscht werden mussten. Aber nutzt ja nichts. Das wird teuer! Der Gedanke ist noch nicht ganz zu meinem Stammhirn gesickert, da erklärt der Kollege am anderen Ende schon, dass er sich wegen der hohen Kosten Gedanken gemacht hat. Er hat mit dem Oberboss der Werkstatt abgeklärt, dass die Rechnung minimiert wird. Da wir so lange fest saßen, während unsere Urlaubstage an uns vorbei zogen, und dennoch der Werkstatt gegenüber Verständnis für die lange Reparaturdauer hatten und so freundlich waren. Die Werkstatt berechnet uns für die Reparaturteile nur den Einkaufpreis und auch nur einen Teil der Arbeitsstunden. Sie rechnen genau so viel ab, dass sie bei Null raus kommen. Sie machen keinen Gewinn mit uns. Ich bin perplex und frage ob das wirklich in Ordnung ist. "Glauben Sie an Karma?" fragt er, "Also diese tu anderen Gutes, dann wird dir Gutes widerfahren Sache."
Kurze Zeit später sind wir in der Werkstatt. Wir reden eine Weile, bezahlen und bedanken uns. Wir bekommen die Autoschlüssel. Zu Hause haben wir eine Flasche Weißwein mit der Frauenkirche drauf gekauft für spezielle Anlässe. Wir schreiben eine kleine Nachricht auf Textilklebeband (aka. Panzertape) und kleben sie auf. Als wir dem Orgs-Chef die Flasche überreichen freut er sich und wirkt sogar etwas gerührt. Wir bedanken uns nochmal für den guten Service und seine Hinweise bezüglich möglicher Unternehmungen in der Region und erzählen ihm was es mit der Flasche auf sich hat...
Zurück im Auto fallen uns zwei Sonnenbrillen auf. Schick hin drapiert liegen sie auf dem Armaturenbrett. Ein Abschiedsgeschenk der Werkstatt.

Zunächst fahren wir zu unserer Unterkunft und laden all unsere Sachen ein. Wir hinterlassen einige Zeilen des Dankes. Nächster Halt ist eine Tankstelle. Dann trabt unser Auto mit gleichmäßigen 100 km/h gen Oulu.
Circa 80km vor der Stadt am Stausee bei Pulkkila schlagen wir unser Nachtlager auf. Der Himmel ist ein Gemälde.



Wir haben einen Logenplatz am Strand des Sees ergattert und genießen die warme Abendsonne und den seichten Luftzug, der die Mücken vertreibt.



Dann kochen wir uns ein Campingessen und gehen Angeln. Andre fängt einen großen Hecht, der sich leider beim Landen losreißt. Immer das Gleiche mit den wässrigen Kumpels! Bevor wir unser Zelt schlafbereit machen, posen wir noch mit unseren schicken neuen Sonnenbrillen. Die Kapuzen haben wir nicht der Coolness halber auf, sondern wegen der lästigen Mücken. Denn seit sich der warme leichte Wind gelegt hat fallen die über uns her wie die Geier.



Diese Nach schlafen wir super. Erholt und glücklich stehen wir gegen 10 auf. Es sind sonnige 22°C und ein sanftes Lüftchen weht vom Stausee her und sorgt dafür, dass es nicht zu heiß wird. Nach dem Freiluftfrühstück, dass wir sehr genießen, angeln wir mit Blinker im hellen Sonnenschein. Wir fangen drei 25-30cm Barsche – zwei davon ich, hihi. Zwei reißen sich mal wieder beim an landen los. Den dritten will Andre vor dem Foto nochmal kurz wässern und schwupp, weg ist er.



Am Rastplatz des Stausees direkt an der Europastraße füllen wir unsere Trinkwasservorräte auf. Danach fahren wir nach Oulu. Wir wollen uns das Pohjois-Pohjanmaan-Museum ansehen. Die dortige Ausstellung betrifft die Geschichte und Kultur der Samen und soll sehr gut gemacht sein. Es hat allerdings schon zu. Durch die Parks der Stadt spazieren wir vorbei an Grafittis zurück zu unserem Auto.



Wir fahren weiter in Richtung Mounio. Gegen 19:30 passieren wir den Polarkreis. Zeit für ein Turi-Foto!



Gegen 23 Uhr kommen wir im Palla Nationalpark an. Wir halten eine Brotzeit und wandern anschließend im Schein der Mitternachtssonne auf die Gipfel des Taivaskero und des Laukukero. Die Berge werden auch Kahlköpfe genannt, da ihre gerölligen Kuppen oberhalb der Baumgrenze liegen.



Unterwegs sehen wir ein im Staub badendes Schneehähnchen. Zunächst ignoriert es uns erfolgreich. Als wir auf ungefähr 4m ran sind wird es ihm zu bunt und fliegt es laut rülpsend – im Fachjargon heißt das glaub ich kollern – davon.



Der Blick über die Tundralandschaft und die unzähligen Seen ist atemberaubend. Es ist windig aber immerhin sind noch ca. 10°C. Die Sonne steht wie am Himmel festgenagelt. Es ist mittlerweile Mitternacht.
Und es zeigt sich mal wieder, dass man nur die halbe Wahrheit kennt. Denn der Merksatz zur Tagesbewegung der Sonne: "Im Osten geht die Sonne auf. Nach Süden nimmt sie ihren Lauf. Im Westen wird sie unter geh'n. Im Norden ist sie nie zu seh'n." verliert hier oben seine Bedeutung...



Obwohl die Berge auf denen wir wandern in einem Nationalpark liegen, gehören ihre Hänge zu einem Skigebiet. So weit im Norden und mit sehr wenigen Menschen scheint das kein Widerspruch zu sein. Der Wind singt in den Drahtseilen des Liftes ein schaurig schönes Lied.



Wind ist überhaupt ein gutes Stichwort! Unser Wildcampplatz für diese eine Nacht jedenfalls erweist sich als Windkanal. Das Zelt knattert in unregelmäßigen Abständen so laut, dass wir davon aufwachen. Nach 2,5h unruhigem Schlaf wird der Wind so arg, dass wir nicht mehr schlafen können. Zerknautscht und etwas angefröstelt packen wir zusammen. Das war ein doofer Stellplatz!
Unsere weitere Reise führt nach Kilpisjärvi und dann über einen Pass nach Norwegen. Im Auto schlafe ich immer wieder ein. Da er auch müde ist hält Andre schließlich auf einem Parkplatz an der Europastraße an und wir schlafen bis gegen halb zehn. Dann fahren wir weiter. In einem Ort im Nirgendwo an einem breiten, reißenden Fluss halten wir. Das Wetter ist besch-äh unschön. Es sind 4°C und es schnee-regnet.



In Kilpisjärvi fahren wir auf den ersten Parkplatz mit Infotafeln. Wir wollen im Auto frühstücken. Andre kocht fluchend Kaffeewasser. Der Wind ist so heftig, dass er beinahe die Flamme des Kochers löscht.
Während unseres Frühstücks mit eher warmem Kaffee klart der Himmel auf. Wir blicken auf das charakteristische Massiv des Saana, dem heiligen Berg der Samen.



Wir beschließen den Saana doch zu besteigen. Den Plan hatten wir wegen des schlechten Wetters schon verworfen. Es gibt eine Wanderroute hinauf. Wir fahren zum Ausgangspunkt der Wanderung am Touristcenter des kleinen Ortes. Dort nutzen wir die warmen Wasserklosetts zum umkleiden. Es sind 8°C. Wir werfen uns in unsere islandgeprüften Wanderoutfits und ziehen zusätzlich Handschuhe an. Der Wind ist stark und kalt, bewegt man sich ist es jedoch nicht zu kalt.
Auf unserer ersten noch recht sanft ansteigenden Wanderetappe durch einen moorigen Birkenwald begegnen wir Rentieren.



Der Ort Kilpisjärvi liegt auf ca. 500m über dem Meeresspiegel. Der Gipfel des Saana ist 1030m hoch. Der Berg ist anfänglich sehr steil. Zur Erleichterung des Aufstieges ist dieser Teil mit einfach gezimmerten Holztreppen bestückt worden. 750 Stufen sind es an der Zahl und jede ist einzigartig.



Zunächst freuen wir uns, dass die Treppen hinter uns liegen und über den Ausblick. Als wir jedoch weiter gehen wird es ungemütlich. Der uns bereits die ganze Zeit begleitende Wind frischt auf. Also er wird nicht nur stärker, sondern auch kälter. Der Weg zieht sich. Wir bleiben in Bewegung. Auf dem Gipfel angekommen genießen wir kurz die Aussicht und retten uns dann in den Windschatten einer Kuhle im Fels. Es sind -2°C. Wir essen Bananen und Nüsse. Heißen Tee haben wir heute leider nicht dabei. Dafür gut gekühltes Mineralwasser.



Die Sonne scheint und der Wind pfeift. Es ist kalt, aber ein Foto von uns machen wir dennoch. Das Stativ der Kamera müssen wir mit einem Gewicht versehen, damit es nicht um gepustet werden kann.



Doch auch wenn es eiskalt ist und der Wind pfeift: Der Ausblick ist super!



Da uns beim Abstieg der Wind die ganze Zeit ins Gesicht bläst, mummeln wir uns bis auf einen Sehschlitz ein. Wieder einmal zeigt sich: Es ist weniger wichtig sich warm zu kleiden, sondern viel mehr winddichte Kleidung zu tragen.
Im Anschluss an unseren Abstieg wechseln wir wieder unsere Kleidung und machen uns frisch in der Touriststation. Im vorbei Laufen fällt uns ein Schild auf Buffet 10-15 Uhr für 15€ inkl. Getränke – auch Kaffee. Das "Ja" zum Buffet stellt sich als Superentscheidung dar. Es gibt eine Gorgonzola-Käse Suppe mit etwas Gries und viel Knoblauch, eine kleine aber frisches Salatbar, dreierlei warmes Essen (frischer Lax, gerupftes Schwein und Bolognese) und Beilagen (Pellkartoffeln, Nudeln, Grillgemüse). Alles sehr lecker und hausgemacht! Super ist auch der Beerenquark den es zum Nachtisch gibt.
Nachdem wir uns satt gegessen haben sitzen wir noch ein Bisschen. Wir trinken Kaffee, schreiben Postkarten und genießen die Sonne, die uns an unserem Fensterplatz ins Gesicht scheint.

Schließlich fahren wir weiter. Wir wollen ja noch über den Pass nach Norwegen bevor der Tag zu Ende geht. Direkt nach Überquerung der Grenze zu Norge schlägt das Wetter um. Dicke Regenwolken hocken an den Flanken der himmelhohen teilweise noch beschneiten Fjälle. Es regnet immer wieder mehr oder weniger stark. Ab und an bricht aber auch die Sonne durch und taucht die teils bewachsenen Hänge in goldenes Dämmerlicht.
Da der Tag, zumindest uhrzeitlich bald zur Neige geht es bei nur 7°C weiter regnet nehmen wir uns in Skibotn direkt am Fjord eine Stuga. Durch den fehlenden Schlaf klettern wir früh in unsere Doppelstockbetten.

8:30 klingelt der Wecker. Draußen sieht's ein Müh weniger trüb aus als am Vortag. Es regnet nicht und ab und an zeigen sich blaue Risse und Löcher in den grauen Wolkenbergen. Heute wollen wir endlich mal Elche sehen. Wir fahren in den Polar Park. Dazu müssen wir jedoch erst mal um 1,5 Fjorde drum rum und dann noch ca. 30km hinein ins Niemandsland, 70km NO von Narvik.



Das Heulen von Wölfen weist uns den Weg. Wir kaufen uns Tickets und es beginnt zu regnen. Also nicht zu nieseln, sondern zu regnen. Da es nach fünf Minuten nicht aufhört, setzen wir unsere Kapuzen auf, atmen einmal tief durch und gehen im Regen Tiere schaun.
Zunächst sehen wir Wölfe und Braunbären. Es beginnt zu schneien. Wir gehen zu den Polarfüchsen. Nachdem wir fast das gesamte Gehege (und das ist groß) umrundet haben, sehen wir den Kollegen in weißer Wintertracht in der Sonne – Pardon – im Graupel liegen und dösen.



Danach geht's vorbei an den Wölfen, die zwischen Neugier und Verwunderung schwankend die vor ihrem Gehege auf und ab wogende Menge (na gut es waren nur etwa 10) von Japanern betrachten. Da die Wölfe offenbar eines großen Maßes an Professionalität beim liefern von Fotomotiven an den Tag legten bedanken sich die Leute Wort- und Gestenreich. Das veranlasst einen Wolf zu gähnen und einen anderen dazu sich verwundert hinter dem Ohr zu kratzen.
Da die Wölfe gerade ausgepowert vom Fototermin in den Büschen verschwinden gehen wir zu den Luchsen gucken.



Außerdem sehen wir noch Moschusochsen und Wölfe und Bachstelzen und lustige Menschen mit Pickups und Quats die sich um die kulinarischen Bedürfnisse der Parkbewohner kümmern. Leute mit Teleobjektiven und Leute mit Kindern. Das Einzige was wir nicht sehen sind Elche.
Gegen 16, als der Park schließt düsen wir weiter in Richtung Abisko. Interessant, dass auf den Wegweisern bereits in Norwegen nicht nur Kiruna, dass kurz nach Abisko kommt ausgeschildert ist, sondern auch das 450km entfernte Luleå.
Die Berge links und rechts der Passstraßen erinnern uns sehr an Island und langsam verstehen wir, warum die Siedler, die einst auch aus Norwegen kamen sich dort recht schnell heimisch fühlten.



In Björkliden ist es 3°C als wir ankommen und so nehmen wir uns eine Stugga. Wir kochen uns ein experimentelles Gericht aus Gemüse, Reis und Käse-Tomatensose. Danach beschließen wir, da es ja noch hell ist (haha) die kleine Wanderrunde zum Kratersjön zu laufen. Unterwegs beginnt es heftig zu schneien. Also richtig dicke Flocken.



Der Weg führt durch bereits getautes Sumpfgelände, über Holzbohlen, Stock und Stein. Ein Jogger kommt uns entgegen gerannt und grüßt freundlich. Unterwegs queren wir die Gleise der Bahnroute, die Norwegen und Schweden verbindet. Wir laufen durch einen frisch verschneiten Birkenwald. All das frische grün ist im Schnee verschwunden.



Das letzte Drittel des Weges zieht sich etwas. Immer abwechselnd geht es über verharrschte Schneepanzer, verschneite Heide und getaute Moorlandschaften. Die ersten zwei Feuchtgebiete überwinden wir trocknen Fußes. Bei der dritten Querung dann passiert das unvermeidbare: Wir bekommen nasse Füße. Und natürlich ist das nächste Schneefeld nicht weit.
Auf dem unwegsamen Hochplateau haben wir jedoch eine wundervolle Aussicht über den riesigen Bergsee Torneträsk. Das Licht der Mitternachtssonne und die dicken Schneewolken erzeugen ein zauberhaftes Licht und eine etwas bedrohliche Stimmung.



Zurück in der Stugga wird heiß geduscht und die nassen Schuhe wandern in den Trockenschrank. Da der Ort unserer Unterkunft ein Wintersportgebiet ist, sind die Häuschen damit ausgestattet. Sehr praktisch! Wir verdunkeln die Fenster und gehen schlafen.

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