Die Milchstraße im unserem Tank
Neue Woche neues Glück, sagt man. Nun ja zumindest was das Wetter angeht trifft das zu...

Tag 8 nach dem Breackdown:

Dieser Montag beginnt ziemlich verschlafen. Da wir das Frühstück verpasst haben gehen wir uns im nächsten Laden ein paar Croissants besorgen. Die leckere Erdbeer-Rhabarba-Marmelade von zu Hause hebt die Stimmung – nur den Kaffee vom Frühstücksbuffet vermissen wir doch etwas. Entsprechend tranig geht es dann weiter. Der Tag besteht überwiegend aus gespanntem Warten. Ist das Auto ganz oder nicht? Ich nutze die Zeit für den Blogg. Trotz des schönen Wetters sind wir unmotiviert nach draußen zu gehen.

Nachmittags gehen wir zur Werkstatt und schauen nach unserem Auto. Es springt nur mit zusätzlicher externer Dieselzuführung an, läuft dann aber. Die Pumpen sind getauscht. Die Jungs haben außerdem in den Tank des Autos geschaut. "Es sieht aus, wie ein Goldwäscherfluss!" meint der Chef (er ist übrigens nicht wirklich der Boss der Werkstatt, macht aber die Orga). Er zeigt uns einige Bilder auf dem Handy. Jab, es glitzert überall im Diesel. Da ich mich mit Goldflüssen nicht so auskenne hier ein anderes Bild: Man kann in unserem Tank eindeutig Andromeda und die Nebel der Milchstraße ausmachen. Und was ist das?, ich glaube wir haben ein neues Sternbild entdeckt. Wir nennen es den kaputten Wagen.
Die Systemreinigung ist nach dieser Entdeckung jedenfalls unausweichlich. Zudem werden sie die Magnetpumpe tauschen, da diese durch die Metallspäne sehr wahrscheinlich komplett zu ist. Die Injektoren werden geprüft. Aktuell, überschlägt er, wären wir mit Reinigung und allen drei Pumpen bei ca. 1500-2000€. Sollten die vier Injektoren defekt sein, verdoppelt sich jedoch der Preis – einer kostet nämlich 400 mal 4 Stück + Arbeitszeit. Wir hoffen, dass sie ganz sind. Er will sie nach Tampere zum überprüfen schicken. Am Telefon erkundigt er sich wie lange das dauern würde. Er erfährt, dass er unsere Injektoren aufgrund ihrer Bauart auch selbst prüfen kann. Das tut er sofort. Wir warten.
Einige Zeit später kommt er wieder. Alle vier Injektoren haben den selben Druckdurchfluss. Das kann heißen, dass sie alle ganz oder alle kaputt sind. Wir hoffen inständig auf Ersteres. Da die Kollegen in Tampere bereits Feierabend haben, kann er das erst am nächsten Tag erfragen.
Er sagt, er habe das Wochenende schon schlecht geschlafen, weil die Reparatur an unserem Auto so schleppend voran geht. Aber es nützt ja auch nichts, wenn wir mit halb repariertem Auto weiter fahren und 60 km weiter wieder liegen bleiben.
Er macht einen Plan: Morgen wird das gesamte System gereinigt und wenn sie da sein sollte, die Magnetpumpe getauscht. Dann müsse er sich jedoch auch noch um ein Auto kümmern, dass er heute rein bekommen hat. Ein Auto, welches wie er sagt: Noch kaputter ist als Unseres. Wenn alles gut geht und die Injektoren ganz sind, ist unser Auto Mittwoch wieder fahrbereit.

Mehr oder weniger zufrieden gehen wir zurück zum Gästehaus und verlängern um zwei Nächte. Dann holen wir uns Eier, eine Antipastiplatte und ein Baguette. Andre baut Rührei. Das Essen ist super. Danach sind wir knülle. Eigentlich wollten wir ja noch angeln gehen. Das lassen jedoch, da wir beide bis 22:00 weg pennen. Wir spielen eine Runde Andor und gehen gegen 1:00 schlafen.

Tag 9 nach dem Breackdown:

Da das Auto heute definitiv noch nicht fertig wird und wir den Tag nicht nochmal vergammeln wollen, schnappen wir unsere Frisbees und nehmen noch einmal den Zug nach Jyväskylä. Der IC hält was er verspricht und fährt mit 150 Sachen durch Landschaft und Tunnel. Das verursacht starke Turbolenzen in meinen Ohren und ich habe mehr Probleme mit dem Druckausgleich als beim Flugzeugstart. Aber: Sellerie, so ist das Leben. Das Wetter ist super!

Im Harju-Park spielen wir den fünf-Stationen-Parcours gleich zwei Mal durch. Und natürlich machen wir nun auch mal ein Foto der berühmten Treppe. Ein bisschen Turi muss sein.



Dann fällt uns etwas Absonderliches auf: Die Bäume die hier wachsen scheinen von ganz besonderer Art zu sein. Sie sind die wahrscheinlich letzten Exemplare der "Audite Pinus", der gemeinen Ohrenkiefer.



Es wird Mittag. Wir gehen in den nächst gelegenen Siwa (Schön-Ist-Was-Anderes) und kaufen zwei Eis und eine Flasche Wasser. Solches Eis gibt's bei uns nicht: Eins mit Lakritze drin und eins mit Minz-Knusper drin.
Danach gehen wir zum Tuomiojärvi See und spielen im Taulumäki Park Disk-Golf. Dieser Parcours ist schon eine andere Hausnummer! Über Stock und Stein, bergauf und bergab, zwischen Bäumen hindurch – Pardon an Bäumen entlang flippernd – und direkt ins Blaubeerbeet. Für die neun Stationen brauchen wir fast eine Stunde. Was aber nicht nur an unserem Wurf-Können liegt, sondern auch an der Tatsache, das Frisbees sich im Unterholz perfekt tarnen können und auf Rufen mal gar nicht reagieren. Andre versucht einmal sogar ein Eichhörnchen so ab zurichten, dass es Frisbees zurück bringt. Das Projekt scheitert leider.



Auch wenn es Dienstag ist, aufgrund des schönen Wetters tummeln sich die Menschen draußen. Sie sonnen sich, baden oder betätigen sich auf verschiedenste Art sportlich. Am Freerunning-Trainingsparcours macht eine Frau Klimmzüge. Bei fünf höre ich auf zu zählen.



Wir wandern weiter um den See herum. Es geht über asphaltierte Fuß- und Radwege, vorbei an einem Bogenschießplatz und über verwitterte Holzbohlen durch die Wildei. Der See hat auf dieser Seite einen grünen Gürtel. Zunächst vermuten wir junges Schilf oder ähnlich gewöhnliche Pflanzen. Bei genauerem Betrachten stellt sich jedoch heraus, das es ein Meer aus Schachtelhalmen ist.



Während wir die Anfänger Disk-Golf Bahn in Laajavuori absolvieren kommen wir mit einem Finnen etwa in unserem Alter ins Gespräch. Wir quatschen gut eine dreiviertel Stunde über alles Mögliche. Danach wollen wir uns an der Profi-Bahn probieren. Mittlerweile scheint jedoch die halbe Stadt auf den Beinen zu sein um Disk-Golf zu spielen. Die Leute kommen mit Taschen voller Frisbees und stehen in 5 m im Kreis um die Körbe und üben das Putten oder Sie stehen auf der Startbase – hier etwa 100m vom Korb entfernt – und üben das gezielte Weit-Werfen. Wir gehen weiter und suchen freie Stationen des Parcours. Wir machen 5 von den 18 Bahnen. Die sind echt schwierig und wir haben das Gefühl ständig im Weg zu sein, da wir so lange brauchen.
Wir gehen uns daher die Skisprungschanzen anschauen.



Auf die großen Zwei trau ich mich nicht rauf. Aber daneben sind noch zwei deutlich kleinere. Die größere davon besteigen wir. Andre sitzt schon mal Probe für die nächste Saison.



Danach begeben wir uns auf den Rückweg. Mit den Zugfahrzeiten haben wir uns etwas verzettelt uns so müssen wir die letzten 1,5 km im Laufschritt zurücklegen. Wir bekommen den Zug gerade noch und müssen beim Schaffner ein Ticket mit einem kleinen Aufpreis kaufen. Aber egal wir sind drin.

Zurück in der Unterkunft gehen wir erst mal duschen. Nach dem Abendbrot bereiten wir uns für's Angeln vor. Auf dem Gang wird Andre von einem total aufgelösten und leicht alkoholisierten Finnen zunächst in Suomi, dann in Englisch angesprochen. Er hat sein Telefon im Auto von seinem Kumpel liegen lassen und bittet um ein kurzes Telefonat. Er hat ein E-Ticket und kann ohne das Telefon also auch nicht nach Hause fahren und ja in 13 min kommt der letzte Zug. Wir lassen ihn telefonieren. Er fasst sich sehr kurz, bedankt sich überschwänglich und stürzt nach draußen Richtung Bahnhof.
Wir machen uns auf den Weg zum 4km entfernten Angelsee. Es ist gegen 22:00 und noch taghell. Unterwegs ruft uns der Finne nochmal zurück und sagt, das er das Handy und den Zug noch bekommen hat. Er bedankt sich nochmal wortreich.

Am See sind die Mücken trotz der fortgeschrittenen Stunde noch sehr aktiv. Ich angle zunächst mit leichter Pose und Wurm. Die Pose zuckt, geht aber nicht unter. Als ich den Köder kurz darauf einhole hab ich eine 15cm kleine Plötze dran. Das war gar nicht zu merken. Die Gute hat Maulsperre. Ich hab den Köder extra groß gemacht, damit die Kleinen Fische den nicht runter kriegen. Meine Güte! Die hat vielleicht Hunger! Sie zappelt zunächst so heftig, das ich sie kaum zu fassen bekomme. Wir bekommen den Köder gut heraus und nach einer kleinen Verschnaufpause verschwindet der kleine Kerl in der Tiefe. Wir wechseln die Köder probieren alles durch nichts regt sich.
Schließlich versuchen wir es mit Logik: Die Beutefische in der Gegend sind so 10-15 cm groß. Vielleicht sind unsere Köder einfach zu klein und quasi "nicht der Mühe wert". Also klemmt sich Andre ein Stahlvorfach und den größten unserer Wobbler (ca. 7cm) an die Angel. Der läuft ziemlich unruhig und muss aggressiv geführt werden – in einem Test heißt es der sei Schrott. Tatsächlich jedoch beißt gegen Mitternacht ein Hecht drauf. Er ist ca 30-40cm lang und schlägt wild um sich. Da Hechte scharfe Zähne haben hole ich fix die Zange und die Maulsperre. Der Kerl hat den Köder schön im Maul und zappelt wie verrückt. Aber bevor wir ihn raus holen können hat er sich befreit und taucht unter dem Steg ab. Mist! Naja, wenigstens wissen wir nun genau was ich zwei Tage zuvor am Haken hatte. Andre versucht daraufhin noch eine Weile den Fang zu wiederholen. Erfolglos. Gegen 00:30 treten wir den Heimweg an. So langsam wird es doch etwas dunkler.

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